Heimatverein Immenstaad

* 22.12.1918 in Seifhennersdorf  |  † 01.09.2015 in Meersburg

Herbert Vogt
Herbert Vogt im Jahre 2010


Leuchtende Farben, warmes Licht und lebendige Dynamik zeichnen die Werke des Malers Herbert Vogt aus. Mit einer seltenen Sicherheit und Souveränität fing er einmalige Atmosphären und noch die flüchtigsten Stimmungen ganz intensiv und voller Ausdrucksstärke ein. Herbert Vogt wurde 1918 in Seifhennersdorf in der Oberlausitz geboren. Als ein zeichnerisches Frühtalent veröffentlichte er bereits mit 12 Jahren seine ersten Zeichnungen. Im Zweiten Weltkrieg wurde er als Heeresmelder eingezogen, musste sogar den Russlandfeldzug überstehen. In der Gefangenschaft porträtierte er die vorgesetzten alliierten Offiziere, ein Vorteil in seiner Lage.

Sein Atelier in Dresden war zerstört, so fand er 1947 in Immenstaad eine neue Bleibe, bei Hibschenberger oben im Frickenwäsele. Wie er schmunzelnd in seiner letzten Vernissage im November 2011 in Immenstaad erzählte, befürchteten die Immenstaader Gemeinderäte damals, dass " mer selle Moler vielleicht au no verhalte mueß"- die Angst war unbegründet! 1959 zog er nach Meersburg, wo er bis zuletzt lebte.

Von 1951 bis zu seiner Pensionierung 1982 unterrichtete er Kunsterziehung an der Schule Schloss Salem und konnte so Generationen von Schülern in ihrem künstlerischen Bemühen führen und prägen.

Er war Mitglied in der Bodensee Künstlervereinigung “Der kleine Kreis”.

Seit seiner frühesten Jugend und auch in schwierigen Zeiten war die Malerei sein Lebensinhalt, das blieb so bis in sein hohes Alter. Sein rein naturalistischer Stil entwickelte sich später zu einem farbintensiven "Expressiven Realismus", wobei "Gegenstand und Form" immer eine zentrale Form wahrten.

Seine Werke befinden sich in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen. Ein größerer Teil seines Werkes hat er der Südwestdeutschen Kunststiftung hinterlassen.

Auf seiner letzten Ausstellung in Immenstaad konnte man seine Frühwerke in Aquarell, Gouache, Tusche aus der Immenstaader Zeit bewundern - die verschiedensten Perspektiven von seiner Wohnung im Frickenwäsele über Immenstaad, auch aus der Umgebung, seine prägnanten Tusche- Porträts von Immenstaader Originalen der damaligen Zeit, wie Karl Rebstein ("Kupfermecke"), Paula Morgen (eine umtriebige Fasnet-Feierin) oder der Fischer Heinrich Einhart (alle im Besitz der Gemeinde). Sein späteres Gestalten zeigten einige seiner zahlreichen, sehr rhythmisch komponierten Figuren in expressiver Farbgebung , die sein weiteres Werk beherrschten.

Herbert Vogt starb am 1. September 2015. "Ein Künstlerleben ging zu Ende und seine Bilder leben weiter."

Heide Budde

 

Plakat Ausstellung 2011

Ausstellung 2011
Herbert Vogt bei der Ausstellung in Immenstaad im Jahr 2011 (Von links: Heide Budde, Jürgen Beisswenger, Herbert Vogt, Brigitte Gmelin-Souchon)


Herbert Vogt, ein Romatiker des Expressionismus

von Gerhard Langkau

Eine eindrucksvolle Werkschau des Malers Herbert Vogt aus Salem zeigte die Orangerie Draenert vom 3. Dezember 1995 bis zum 17. Februar 1996. Daß Dr. Peter Draenert diese Ausstellung gerade nach lmmenstaad holte, kam sicher nicht von ungefähr, verbrachte doch der Künstler einige Jahre in unserer Gemeinde; und bei manchem älteren Mitbürger, der zur Vernissage Anfang Dezember gekommen war, wurden Erinnerungen an die ersten Nachkriegsjahre wieder lebendig. Der heute (1996) 77jährige Maler und Kunsterzieher erblickte am 22. Dezember 1918 in Seifhennersdorf (Oberlausitz) das Licht der Welt. Als er knapp 3 Jahre alt war, siedelte die Familie in das nahegelegene Marklissa über, wo sein Vater eine Stelle als Buchhalter in einer Textílfabrik fand. Hier verbrachte Herbert seine frühe Kindheit und besuchte die ersten Schulklassen; und hier wurde man auch schon auf seine zeichnerische Begabung aufmerksam. Die Weltwirtschaftskrise (1929 ~ 1933) beendete bereits nach wenigen Jahren den Aufenthalt in Marklissa. Der sprunghafte Anstieg der Arbeitslosigkeit griff auch in das Leben der Familie Vogt ein. Herberts Vater verlor seinen Arbeitsplatz, und die Familie kehrte nach Seifhennersdorf zurück. Ausgerechnet die beklemmenden äußeren Verhältnisse erweckten in dem Zehnjährigen einen enormen Tatendrang. Er zeichnete und malte unentwegt, und seine Bilder waren so überzeugend, daß sich die Eltern, trotz des wenigen Geldes, dazu entschlossen, ihn vom ortsansässigen Heimatmaler A. Schönberner unterrichten zu lassen. Innerhalb von zwei .Jahren machte er so große Fortschritte, daß man ihn dem namhaftesten Seifhennersdorfer Künstler, Prof. Bruno Paul, vorstellte, der damals Leiter der Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin war und als Mitarbeiter des „Simplicissimus“ durch seine zeitkritischen Zeichnungen und Karikaturen Berühmtheit erlangt hatte.

3 Musikanten
3 Musikanten

Dem Besuch der Gewerbeschule in Zittau folgte von 1934 bis 1937 die Ausbildung bei einem Photographen, ehe sich sein Wunschtraum erfüllte: das Studium an der Dresdener Akademie für Kunstgewerbe. Als Schüler von Martin Claus und Prof. Paul Sinkwitz verfestigte er sein Können, und es entstanden die ersten authentischen Aquarelle, Landschafts- und Vorstadtstudien von eigenartigem Reiz. 1941 ereilte auch ihn das Schicksal vielerjunger Männer in unserem Land. Er erhielt den Einberufungsbefehl zur Wehrmacht. Vorbei war es nun mit dem Weiterstudium, zu dem er sich bereits an der Dresdener Akademie für freie Kunst eingeschrieben hatte. Bevor es zum Einsatz an die Ostfront ging, heiratete Herbert Vogt seine Studienkollegin Edith Haupt. Eine Verwundung vor Stalingrad rettete ihm wahrscheinlich das Leben. Nach Lazarettaufenthalten, russischer und amerikanischer Gefangenschaft war endlich die schreckliche Kriegszeit vorüber. Herbert Vogt kehrte zu seiner Frau und den beiden Kindern in das zerstörte Dresden zurück. Trotz der chaotischen Verhältnisse in den ersten Nachkriegsjahren nahm der Maler wieder seine künstlerische Tätigkeit auf. Es entstanden die ersten Ölbilder: bemerkenswerte lnterieurs, Portraits und figurative Darstellungen. Beachtung und Anerkennung fanden diese Bilder bei der ersten großen Kunstausstellung nach dem Kriege (1946) in Dresden, an der sich der Künstler beteiligte.

Schicksalhaft war das Jahr 1947. Edith Vogt erkrankte an einer schweren Diphtherieinfektion. Um bald wieder gesund zu werden, reiste sie zu ihrer Mutter in die Schweiz. Die Familie entschloß sich, Dresden für immer zu verlassen. So suchte man sich eine neue Bleibe, möglichst nicht allzuweit von der Schweiz entfernt. lm idyllischen Bodenseedorf Immenstaad wurde man fündig, und am 1. Dezember 1947 mietete sich Herbert Vogt zuerst im Gasthof „Schiff“ ein. Bald fand man eine Wohnung ln der Seestraße Ost 9 bei Xaver Maier. lm März 1950 wurde in das Frickenwäsele 13 (jetzt Nr. 27) umgezogen, wo man bei Familie Hibschenberger ein neues Zuhause fand.

Beim Wimmeln
Beim Wimmeln

Elf Jahre verbrachte die Familie Vogt in lmmenstaad, ehe sie im Dezember 1958 nach Meersburg übersiedelte. ln dieser Zeit versuchte sich Herbert Vogt eine neue Existenz aufzubauen. Neben seiner Arbeit als Zeichner für Verlage und die Presse, u. a. für die „Landpost“, unterrichtete er von 1948 - 1951 als Kunsterzieher an der Schloßschule Gaienhofen, ab 1951 als Fachlehrer für Kunsterziehung an den Schulen Schloß Salem. Trotz der Lehrtätigkeit hatte das Malen für Herbert Vogt erste Priorität. Durch das Malen war er auch mit Prof. Sauerbruch bekannt, der ihn hier in lmmenstaad öfter besuchte. Gerade die Bodenseelandschaft verführte ihn zum Aquarellieren, um das Flüchtige, den Augenblick, mit Pinsel und Farbe einzufangen.

Bilder wie 'Dorf am See' (1958), 'Boote am See' (1958) oder 'Pfarrgarten` (1958) entsprechen dem Fluidum unseres Ortes, sind „lyrische Farbstenogramme“, wie Volker Michels schreibt. Aber auch seine Ölbilder zeugen von dieser Farbigkeit, sind trotz Abstraktion vom Gegenständlichen geglückte Bezüge zur Realität, wie es die 'Kirche in Immenstaad' (1957) beweist. Für seine zeichnerischen Qualitäten sprechen die in diesem Band abgebildeten Tuscheskizzen. Es handelt sich um 8 gleichformatige Bilder, die im Jahre 1961 entstanden sind und sich heute im Besitz der Gemeinde lmmenstaad befinden.

Hermann Rebstein 1961
Hermann Rebstein (Alter 85 Jahre), Schuhmacher, Tuschezeichnung Herbert Vogt 1961
Original in unserem Heimatmuseum in der Schusterwerkstatt


Herbert Vogt, der später in Salem lebte, war ein Maler von besonderem Rang. Seine Bilder legitimieren den konsequenten Werdegang dieses außergewöhnlichen Künstlers, führen über Zeichnung, Aquarell und Ölbild zu seinen rhythmisch gegliederten Figurenbildern, die Mittelpunkt der Ausstellung in der Orangerie Draenert waren.

Für Herbert Vogt ist Malen ein aufregendes, nicht abschätzbares Abenteuer, „Denn das Malen“, so schreibt er selbst, ist eine Form der Selbstverwirklichung, die weder nach Wirtschaftlichkeit noch nach gesellschaftspolitischer Relevanz fragt, sondern Bilder hervorbringt wie der Baum seine Blätter.


Herbert Vogt in den 80er Jahren über sich selbst: MEIN WEG ALS MALER

Mein Weg als Maler begann kurz vor dem Zweiten Weltkrieg; was davor liegt, sind Schülerarbeiten. Es war mir allerdings schon als Schüler nie ein Problem, die Dinge räumlich auf der Bildfläche zu ordnen. Was mir jedoch zum Problem wurde, war, seit ich mir dessen bewußt bin, die Umwandlung des räumlichen Eindrucks in eine, den Bedingungen der Fläche gerecht werdende Form. Ich erinnere mich, wie unbefriedigend ich die Leere, den nicht gemeinten Grund, zwischen dem dargestellten Kopf meines Bruders und dem Rahmen des Bildrechtecks empfand. Ein Beispiel dafür, dass nicht der hinter der Bildfläche sich öffnende Raum angestrebt war, sondern die Präsenz der Dinge auf der Fläche. Dieses latente Wollen stand eigentlich im Widerspruch zu der mir wesentlichen Aufgabe der Landschaftsmalerei. Diesen Widerspruch suchte ich zu überwinden, indem die Dichte der Farbe die Dinge wieder in fühlbare Nähe rückte; obgleich doch bei diesen zunächst mehr stimmungsträchtigen Landschaften das atmosphärisch-räumliche Element der eigentliche Ausdrucksträger war.

Während ich so in jungen Jahren aus der inneren Übereinstimmung mit dem Motiv meine Bildmittel fand und sich die Form fast von selbst ergab, wenn die Übereinstimmung nur tragfähig genug war, änderte sich das später, vor allem bei solchen Arbeiten, wo die Natur als unmittelbare Souffleuse weg fällt. Allmählich entwickelt man eine Art von Bildgrammatik, wobei ich der intensiven Beschäfiigung mit der Kinderzeichnung manche wesentliche Einsicht verdanke. Auch waren mir jene Meister von jeher besonders nahe, die mit straffer Komposition eine intensive Farbigkeit verbinden, wie z. B. van Gogh, Cézanne oder Kokoschka. Ich selbst begann, wie schon erwähnt, mit gedämpften und dichten Tönen, die einerseits als Mittel des Bildzusammenhangs, andererseits als Ausdruckswerte eingesetzt waren. Da ich damals fast ausschließlich mit Aquarellfarben malte, verpatzte ich so manches Blatt durch mein Bestreben, den Farben die nötige Dichte zu geben.

Stillleben 1980
Stillleben -Badende-, Herbert Vogt, um 1980 (Eigentum Heimatverein Immenstaad)

Nach dem Krieg kam eine stärkere Farbigkeit in meine Bilder. Auch verschiedene stilistische Ansätze fallen in diese Zeit, so der Versuch mit der Lasurtechnik. Da ich im Unterschied zum allgemeinen Trend der Nachkriegszeit am gegenständlichen Motiv festhielt, war es das Problem, die Doppelfunktion der bildnerischen Mittel - Eigenwert und Darstellungswert - in der Balance zu halten, das mich unentwegt beschäftigte. Hier schlägt das Pendel mal mehr nach der einen, mal mehr nach der anderen Seite aus. Zunehmend beherrschte mich der Wille zu einem stabilen Bildgefüge, in dem sich die im Motiv vorliegenden Formen zu einer übergeordneten Bildgestalt zusammenschließen. Im Gegensatz zur fotografischen Optik mit ihren zufälligen Verkürzungen, scheint mir das Ausbreiten der Formen auf der Bildfläche in parallelen Schichten dem Wesen des Bildes am reinsten zu entsprechen. Diese Einsicht ist natürlich nicht neu, eher eine Rückbesinnung, doch werden gerade in der realistischen Malerei oft gegensätzliche Auffassungen vertreten und die Fixierungen der Kamera absichtsvoll benutzt. Wer mehr erwartet, als was auch die Kamera zu bieten vermag, für den liegt der Wert des Bildes, außer dem, was es sonst noch darstellt und ausdrückt, vor allem in der schlüssigen Ordnung und Einheit aller Elemente, die es abhebt von der Realität zu einem beispielhaften Muster des Seins.

Nicht die Landschaftsmalerei war es, die mir neue Möglichkeiten erschloß, sondern die Figur, genauer die Figurengruppe. Zunächst als Motiv der »Badenden«, daraus wurde dann die Figurengruppe als rhythmische Reihe. Drei oder mehr Figuren, zumeist vom Bildrand überschnitten, boten die Möglichkeit, Formenfluss und Farbe als rhythmische Einheit ganz zur Deckung zu bringen. Dies erwies sich für mich als ein fruchtbares Thema, welches sich, einmal mehr bewegt, dann wieder statisch streng, zu. immer neuen Variationen eignete. Wenn sich dabei die Farbe plakathafter Wirkung nähert, so ist es, um jede Schilderung von Oberflächenreizen zu vermeiden und um sie ganz teilhaben zu lassen an der rhythmischen Gliederung der Fläche. Ich gehöre nun nicht zu jenen, die, haben sie einmal ihr Thema gefunden, nichts anderes mehr machen. Immer wieder versuche ich, mich mit neuen Aufgaben auseinanderzusetzen. Am Beginn aber jeder neuen Arbeit steht der Wunsch, etwas Beibendes zu schaffen, unabhängig von den rasch wechselnden Anschauungen der Zeit.

Herbert Vogt

 

Literaturhinweise:

Manfred Hausmann, Volker Michels: Der Maler Herbert Vogt, Jan Thorbecke Verlag GmbH & Co, Sigmaringen, 1984 | ISBN 9783799540308

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Buch Der Maler Herbert Vogt

 

Volker Michels, Peter Draenert: Gegenstand und Form. Das Werk des Malers Herbert Vogt; Philo Fine Arts, 2004 | ISBN 3364006199

Link zum Kauf auf booklooker:
Buch Gegenstand und Form

 

Heinrich Einhart 1961
Heinrich Einhart, Fischer und Bootsbauer (Alter 81 Jahre), Tuschezeichnung Herbert Vogt 1961

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